Ungerechte Vergabe von Betreuungsplätzen
Nicht nur durch Gesetze, auch durch gesellschaftlichen Wandel sind die Freiheiten eines jeden Einzelnen in den vergangenen Jahrzehnten enorm gestiegen. So ist Menschen heute freigestellt, in welcher Beziehung sie leben. Sie können sich leichter von Familienstrukturen lösen und über soziale Medien neue Bekanntschaften schließen. Und die Aufgaben des täglichen Lebens sind Verhandlungsgegenstand von Partnerschaften geworden, bei der jede Gemeinschaft die für sich passenden Antworten finden muss.
Unabhängig davon, wie man diese Veränderung bewertet, ist klar: Die Freiheiten werden gerne in Anspruch genommen, die Folgen daraus jedoch weitgehend vergesellschaftet. Negative Auswirkungen werden durch Maßnahmen aus dem Sozialhaushalt kompensiert, die nötige Verknüpfung von Freiheit und Selbstverantwortung hat politisch nicht stattgefunden.
Stattdessen wurde eine staatliche Interventionsspirale in Gang gesetzt, die scheinbar nur ein Motto kennt: Vorwärts immer, rückwärts nimmer! Ein Beispiel: Aus der Rentenreform entstanden Modelle zum Aufbau individueller Altersversorgungen, ob betriebliche Altersvorsorge, Riester-, Rürup- oder sonstige Programme zur Ergänzung von sinkenden Renteneinkünften – sie alle setzen jedoch voraus, dass Menschen Einkünfte erwirtschaften können, angestellt oder selbstständig, allein lebend oder in welcher Form einer Partnerschaft auch immer.
Da aber jeder Mensch, egal wie er sein Privatleben gestaltet, seine Altersvorsorge nur entwickeln kann, wenn er Zeit hat eine Tätigkeit auszuüben – wieso stufen wir dann Kinder bei der Vergabe des knappen Guts „Betreuungsplätze“ durch Vergabe von Sozialpunkten unterschiedlich ein und verzerren dadurch die Chancengleichheit?
Warum werden Alleinerziehende gegenüber in Partnerschaft Lebenden bei der Vergabe eines Betreuungsplatzes für ihr Kind durch eine unschlagbar hohe Zahl an 500 Sozialpunkten uneinholbar bevorzugt?
Warum werden Eltern, die ihr Kind bis zum zweiten oder dritten Lebensjahr selbst betreut und dadurch wirtschaftliche Nachteile in Kauf genommen haben, gegenüber Eltern benachteiligt, deren Kinder schon früh in eine Betreuungseinrichtung gegeben wurden? Warum tritt ein dreijähriges Kind aus familiärer Betreuung mit 0 Punkten gegenüber anderen Kindern an, die bereits auf Kosten der Gesellschaft in Betreuung waren?
Warum werden unterschiedliche Betreuungseinrichtungen für unter Dreijährige nicht gleich bewertet? Warum bekommt ein Kind, das aus einer städtischen Krippe in eine städtische Kita wechselt 150 Punkte, ein Kind aus einer Tagespflegestelle aber 15 Punkte pro halbes Jahr Betreuung? Da müsste also ein dreijähriges Kind bereits fünf Jahre betreut worden sein, um gleichgestellt zu werden. Warum gehen nicht alle Dreijährigen mit gleichen Chancen an den Start um einen Kita-Platz?
Die Freiheiten unserer liberalen und inklusiven Gesellschaft werden langfristig nur akzeptiert, toleriert und finanziert werden, wenn die Menschen bereit sind, Verantwortung für ihre Lebensgestaltung zu tragen, statt Vorteile aus unfair empfundenen Spielregeln zu beanspruchen. Deshalb ist es an den Kommunalpolitikern unseres Landkreises, dringend benötigte Anpassungen vorzunehmen, um die aufgezeigte Fehlentwicklung zu korrigieren.