Maßnahmen mit Augenmaß
von Arne Borchers
Die Corona-Infektionszahlen in Deutschland und im Landkreis Verden steigen. Durch die Äußerungen und Appelle unserer Bundeskanzlerin muss man unweigerlich den Eindruck gewinnen, dass bei anhaltender Entwicklung wieder noch einschneidendere Beschränkungen für Menschen in unserem Landkreis und darüber hinaus erlassen werden. Vielfach treffen die Beschränkungen schon jetzt Menschen und Wirtschaft, ohne dass es eine dezidierte Prüfung gibt, wie groß der positive Effekt auf den Schutz der Bevölkerung ist. Vielmehr erinnert das Vorgehen der Kanzlerin und der Ministerpräsidenten an das spielerische Ausprobieren von Kindern an einem Chemiebaukasten, um Ursache und Wirkung zu lernen. Aber hierdurch werden Existenzen zerstört und Menschen in grundlegendsten Freiheiten beschnitten. Für das große Ganze werden Individuen geopfert, ohne dass eine Wirksamkeit in ausreichendem Maße attestiert werden könnte. Unlängst wandten sich zum Beispiel die Bewohner der Stiftung Leben und Arbeiten, die auch den Parzivallhof in Quelkhorn betreibt, in Ihrer Not an die Landesregierung in Niedersachsen. In dem Brief heißt es:“(…)Wir wohnen in einer besonderen Wohnform und nicht in einem Pflegeheim. Wir leben in kleinen Wohngemeinschaften, wie zum Beispiel viele Student*innen auch. Wir sind in verschiedenen Altersgruppen, aktiv und wollen selbstbestimmt leben (…)Für unsere Begleiter*innen und für alle anderen Menschen gab es Lockerungen, nur für uns nicht. Wir wurden vollkommen isoliert. Das ist nicht gerecht. Besonders traurig waren wir, dass wir unsere Eltern und Familien nicht sehen und umarmen durften und schon gar nicht besuchen konnten. Auch wenn wir seit Anfang Juni Besuche hinter Plexiglas empfangen durften, gilt das Betretungsverbot der Einrichtung immer noch. Warum werden wir anders behandelt als der Rest der Gesellschaft?“
Der Landesregierung war dieser Brief nicht einmal eine Antwort wert. Wir dürfen aber solche Zustände nicht schulterzuckend hinnehmen. Wir müssen den Mut aufbringen, den Menschen ihre Freiheiten wiederzugeben, wieder selbstbestimmt leben und auch wirtschaften zu können. Das gilt nicht nur für die Bewohner der Stiftung Leben und Arbeiten, sondern für die gesamte Gesellschaft. Andernfalls werden wir den Individuen und somit auch der Gesellschaft irreparablen wirtschaftlichen und psychischen Schaden zufügen. Um dieses erreichen zu können, lassen sie uns Schutzmaßnahmen wie die A-H-A-Regeln konsequent umsetzen. Denn dass das Virus existent ist, und dass es tödlich sein kann, ist zweifellos. Aber zumindest werden durch diese Maßnahmen keine Existenzen zerstört und somit die Auswirkungen des Virus noch verschlimmert. Auch die Bewohner der Stiftung Leben und Arbeiten beenden Ihren Brief mit: „(…) bitte empfehlen Sie unseren Heimleitungen nicht, alle Bewohner*innen am Verlassen des Geländes zu hindern. Sonst fühlen wir uns eingesperrt. Wir werden 2 m Abstand halten, tragen MNS und waschen ganz oft die Hände und desinfizieren sie. Versprochen!“. In diesem Sinne, lassen Sie uns das Virus bekämpfen! Aber mit Sinn und Verstand!