Kreidezeit beenden

Die Digitalisierung, im politischen Diskurs seit mehreren Jahrzehnten als eine Art Fetisch-Thema der Liberalen angesehen, befindet sich durch Corona endlich in aller Munde. Während bei Unternehmen digitale Prozesse gang und gäbe sind oder zumindest jetzt in Hauruckverfahren implementiert wurden, hängen viele unserer kommunalen Schulen noch weit hinterher – was ausdrücklich nicht den Schulen selbst anzulasten ist.

Vielmehr nimmt man in Gesprächen mit ihnen eine ungemeine Offenheit für den nächsten Schritt wahr, der Lehrmethoden nachhaltig verändern und die Kreidezeit in den Klassenzimmern hoffentlich ein für alle Mal beenden wird. Gerne inklusive der Overheadprojekttoren, die schon zu meiner Schulzeit furchtbar antiquiert wirkten und die meiste Zeit als Staubfänger fungierten. 

Selbst der Bund hatte 2018, völlig unabhängig von Corona, mit einiger Verspätung die Zeichen der Zeit erkannt und im Digitalpakt fünf Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Doch heute bleibt festzuhalten: Nur ein Bruchteil dieser Mittel ist in konkrete Projekte geflossen, dem Rest droht das Schicksal als Haushaltsrest anderen Vorhaben zugeschanzt zu werden – fast alle weitaus unsinniger, als in unsere Kinder zu investieren.

Der Grund dafür ist klar: Bisher erlaubt es der Digitalpakt ausschließlich, die Gelder in technische Infrastruktur und Geräte zu investieren. Dabei haben FDP und Grüne bei der letzten Grundgesetzänderung durchgesetzt, dass der Bund künftig auch in die damit unmittelbar verbundenen Kosten investieren darf - Gebrauch gemacht hat die Bundesregierung davon bisher nicht. Neben bürokratischen Hürden stellen die Kommunen daher die Folgekosten vor Kopfzerbrechen, denn Geräte müssen mit der passenden Lernsoftware versehen, nach Kriterien zugewiesen und gewartet werden. Von Schulungen für den richtigen Umgang mit ihnen ganz zu schweigen.

Die Bemühungen der Freien Demokraten auch die Zusatzkosten in den Digitalpakt aufzunehmen, konnten sich bisher nicht durchsetzen. Somit bleibt die Frage, wer dafür aufkommen soll. Denn diese Aufgabe den Lehrkräften auf den Rücken zu binden, hätte mit verantwortungsvoller Bildungspolitik nichts gemein – insbesondere nicht vor dem Hintergrund der vergangenen Wochen, in denen viele von ihnen den Unterricht unter den häufig suboptimalen Bedingungen auch digital sichergestellt haben.

Aber auch unsere Verwaltungen sind dank ihrer Mentalität dafür größtenteils ungeeignet, die sich in den vergangenen Monaten an einer drastischen Einschränkung demokratischer Prozesse gezeigt hat, statt diese mittels digitaler Lösungen sicherzustellen. Stattdessen werden wir uns in den Kommunen fragen müssen, wie viel Geld uns externe Fachleute wert sind, um eine optimale Umsetzung sicherzustellen. Gerade in einer angespannten Haushaltslage bleibt dafür nur der Blick auf die freiwilligen Leistungen der Kommunen und die Entscheidung, ob man weiterhin die Freizeitgestaltung mündiger Bürger subventionieren, oder unsere Kinder zukunftsfest machen möchte.