Klinische Versorgung in Niedersachsen - Kommunen müssen neu denken
Der Landrat stellte kürzlich die neue Einrichtung und Technik für den Notruf 112 im Kreishaus vor. Technische Verbesserungen sind sinnvoll, die drängenden Probleme der Notfallversorgung werden dadurch nicht beseitigt. Die Koordination, Vernetzung über die Landkreise hinaus, sowie die fehlende Handlungskompetenzen der Akteure müssen dringend optimiert werden.
Fehlgeleitete Patienten, Überlastung des Fachpersonals und langes, unversorgtes Warten im Krankenhaus bedeutet unnötige Risiken in einem der teuersten Gesundheitssysteme der Welt einzugehen. Gesundheitsminister Spahns neuestes Gesetzesvorhaben sieht vor, dass die Rettungsleitstellen in eine reformierte Versorgungsstruktur eingebunden und damit aus der Zuständigkeit der Landkreise herausgelöst werden. Rettungsdienste, niedergelassene Mediziner und Kliniken werden verpflichtet, künftig eine Notfallversorgung aus einer Hand zu gewährleisten. Voraussetzung für die korrekte Versorgung wären integrierte Notfallzentren als erste Anlaufstelle für Erstversorgung und bedarfsgerechte Weiterleitung, von Kassenärzten und Kliniken gemeinsam betrieben. Das bedeute über die Landkreisgrenzen hinaus zu planen.
Das Bedürfnis der Bevölkerung, eine medizinische Versorgung in erreichbarer Nähe zu haben, ist verständlich. Gehört es doch zur Lebensqualität im ländlichen Raum, in vertrauter Umgebung zu sein. Doch nicht immer ist die Versorgung optimal, was den Kranken aufgrund mangelnder medizinischer Kenntnisse nicht bewusst ist. Die Statistiken des ITQTIG (Institution für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen, im Auftrag des G-BA Maßnahmen zur Qualitätssicherung und zur Darstellung der Versorgungsqualität im Gesundheitswesen) sprechen Bände.
Wenn die Kliniken der Region nicht mehr zu einem ungesunden Wettbewerb untereinander gezwungen sind, könnten zukunftsfähige Versorgungskonzepte entstehen. Die Sektorentrennung von Stationär und Ambulant ist dabei ebenso hinderlich wie das lückenhafte DRG Vergütungssystem der Krankenkassen und die Abgrenzung der Kassenärzte.
Über neue Versorgungskonzepte öffentlich nachzudenken, ist äußerst unpopulär. Die kurzen Wege für die Krankenbesuche sind im Ergebnis kein wirkliches Argument gegen die bestmögliche Versorgung, große Erfahrung und erprobte Abläufe bei häufigen Eingriffen. Die 24 stündige Anwesenheit von Fachärzten und den sehr gut weitergebildeten Pflege-Fachpersonen in ausreichender Anzahl, sind durch nichts zu ersetzen. Denn strukturelle Mängel führen in der Summe zur suboptimalen Ergebnisqualität und schlechter Qualitätsbeurteilung.
Bis wir im Landkreis soweit sind, wird noch viel Porzellan zerschlagen und wertvolle Zeit vergehen. Fachleute und Politiker sowie die Klinikdirektor*en wissen, dass eine Reform unumgänglich ist. Nur bedarfsgerechte Versorgungskonzepte verhindern, dass am Ende Einer der Verlierer ist. Mut und Kreativität sind in den nächsten Jahren gefragt, Kooperation und Zusammenarbeit lautet die Zauberformel. Die Augen und Ohren zu verschließen und auf ein „Weiter so“ zu setzen ist für den Landkreis Verden keine Option.