Der größte Pflegedienst in Deutschland-die pflegenden Angehörigen-Wie geht es ihnen zurzeit?
Leise, still und aufopferungsvoll leisten die pflegenden Angehörigen Großartiges. Aufgrund von Corona-Einschränkungen muss der Tagesablauf neu geplant werden und vieles wird nie wieder so sein, wie es einmal war. Wie geht es eigentlich dem größten Pflegedienst in Deutschland? Geschätzt werden 1,8 Millionen Menschen zu Hause versorgt, oft mit Unterstützung von ambulanten Pflegediensten und Pflegekräften aus Osteuropa. Ohne die Osteuropäischen Pflegepersonen, von denen viele jetzt in ihren Heimatländern geblieben sind, wäre die Versorgung der Senioren schon in gesunden Zeiten nicht zu schaffen. Aktuell sind in deutschen Haushalten 660.000 osteuropäische Pflegekräfte tätig, das sind mehr als alle Vollzeitstellen in der ambulanten häuslichen Pflege.
Lieber heute als morgen würden rund 300.000 pflegende Angehörige in Deutschland ihre familiären Pflegeaufgaben niederlegen, so berichtet der Barmer Pflegereport in 2018. Die Pflege von Angehörigen bringt insbesondere die älteren Frauen an die Grenzen, sie erkranken selbst. Angst vor einer Covid 19 Infektion, Auflagen und Alltagseinschränkungen belasten aktuell das Zusammenleben von Pflegenden und Pflegebedürftigen enorm. Die praktische Unterstützung in Form von Tagespflege wird sehr vermisst, denn nur langsam trauen sich die Einrichtungen den Betrieb wieder zu. Leider erfahren die Einrichtungen kaum fachliche und organisatorische Unterstützung aus dem öffentlichen Gesundheitswesen oder Behörde. Kurzzeitpflegeplätze hatten Aufnahmestopp oder waren für die Senioren nicht erreich- oder bezahlbar. Steigende Ausgaben und unzureichende Strukturen zwingen zur Auseinandersetzung mit der Frage wie es weitergehen soll. Denn auch die Kommunen sind maximal durch Hilfe zum Lebensunterhalt und Wohngeld belastet Die neuen Gesetze von Jens Spahn werden auch die Heimkosten enorm anheben. Im Jahr 2019 mussten Pflegebedürftige für die Unterbringung in Pflegeheimen im Bundesdurchschnitt 1.900 Euro Eigenanteil pro Monat zahlen. Können die Menschen ihren Eigenanteil nicht aufbringen, muss die Sozialhilfe einspringen. Mittlerweile sind immer mehr Pflegebedürftige auf ergänzende Fürsorgeleistungen angewiesen. Die Pflegeversicherung wird als System so nicht mehr funktionieren. Ideen, Pflege durch Steuern zu finanzieren (bis 2045 mit 18,3 Milliarden Euro, so eine Modellrechnung nur für den stationären Bereich) werden diskutiert. Die Leistungen auf die Krankenkassen zu verlagern, stößt auf berechtigten Widerstand. Die Politik muss sich nun endlich mal an eine grundlegende Finanzreform machen, damit die Eigenbeteiligung der Pflegebedürftigen bis zum Jahr 2045 gedeckelt wird. Ein guter Beitrag zur Kostensenkung wäre die Durchlässigkeit von Betreuungsformen. Ein Wechsel von ambulanter, stationärer, teilstationärer oder haushaltsnaher Unterstützung muss, anders als heute, schnell und unbürokratisch möglich sein. Alternative Betreuungsformen, wie Wohngemeinschaften mit pflegerischen und hauswirtschaftlichen Leistungen müssen von unsinnigem, gesetzlichen Bürokratismus befreit und öffentlich gefördert werden.
Vor vielen Jahren durfte ich mir einmal ein britisches, kommunales Modell ansehen. Ich besuchte einen steuerfinanzierten, offenen Tagesaufenthalt, zu dem ein Fahrdienst die Senioren jeden Morgen brachte. Unter einem Dach wurden vom Friseur, Frühstück-Mittags-Abendessen, Mani- und Pediküre, Hilfe beim Baden, Körperpflege, Wäscheversorgung, kleiner Kiosk, Spiele (natürlich Bingo) bis zu Verbänden und Diabetesspritzen, alles angeboten. Die Senioren nahmen nur die Leistung in Anspruch, die sie auch brauchten. Ehrenamtliche Mitarbeitende waren unverzichtbar, sie wurden von einer Stelle aus koordiniert und es gab kein Kompetenzgerangel von Freien Trägern oder Kostenträgern. Das hat mit sehr gut gefallen und den anwesenden Senioren ebenfalls.